Die Zahl der Farbenblinden und Farbsehschwachen in Deutschland dürfte bei ca. 3,5 Mio. liegen. Dabei verwundert es, wie wenig inklusiv die Gesellschaft für diese Bevölkerungsgruppe ist und warum es bisher keine größeren Anstrengungen für eine Verbesserung gibt. Liegt die Antwort in den Reaktionen auf das Ansprechen von Problemen?
Gemessen an der Tatsache, dass etwa jeder 12. Mann von einer Farbsehschwäche betroffen ist, verwundert es, dass die genetische Einschränkung und ihre Auswirkungen für Betroffene nicht näher thematisiert werden. Geht man bei einer männlichen Bevölkerung für die Bundesrepublik von etwa 41 Mio. (Statista) aus, müssten ca. 3,28 Mio. betroffene Männer in Deutschland leben. Werden die etwa 210.000 betroffenen Frauen (0,5% betroffene Frauen; 42 Mio. Einwohnerinnen) addiert, liegt die Gesamtzahl bei ca. 3,5 Mio. Betroffenen.
Eine der Ursachen ist sicherlich, dass viele die Einschränkungen gar nicht realisieren und als gegeben hinnehmen. Seitens der Eltern wird, sofern es nötig ist und erkannt wird, unterstützt. Letztlich wissen sie aber auch nicht um die Auswirkungen auf den Sohn oder die Tochter. Es verfestigt sich immer mehr der Eindruck, dass die Sachen so sind, wie sie sind. Ein Bewusstsein für eine veränderte Wahrnehmung, die mehr Hilfestellungen benötigt, entsteht gar nicht erst.
Immer dieselben Fragen
Merken Betroffene doch die negativen Auswirkungen und berichten ihrem Umfeld davon, werden sie immer mit denselben Fragen konfrontiert. Farbenblindheit ist durchaus ein Thema im Biologieunterricht und sicherlich den meisten auch bekannt, doch wird es häufig hier verpasst die Auswirkungen des Gendefekts genauer zu thematisieren.
"Wie siehst du das?", "Aber wie ist das im Straßenverkehr mit der Ampel?", "Siehst du dann nur schwarz/weiß?", "Welche Farbe ist das?" – Es sind immer dieselben Fragen, die Betroffene zu hören bekommen und einmal mehr beantwortet haben. Letztlich nerven sie nur noch und eine Verbesserung der Situation ist so nicht in Sicht. Letztlich endet es eher im Schweigen, als im offenen Umgang mit dem Problem.
Nicht selten wird man als Betroffener nach den Farben ausgefragt oder darf sich womöglich "schlaue" Sprüche und ein Herunterspielen der Situation anhören. Situationen, die besonders gerne in der Anonymität des Internets auftreten. Nicht unbedingt ein Mutmacher.
Fehlendes Bewusstsein und Interesse
Machen Betroffene auf Probleme und Schwierigkeiten aufmerksam, verfestigt sich schnell das Gefühl, als könnten sie zwar darüber reden, aber ein echtes Interesse an für sie positiven Veränderungen besteht nicht. "Warum soll ich also darüber berichten und es ansprechen, wenn sich eh nichts ändert?" – ein nicht so selten vorkommender Gedanke.
Man könnte hierbei meinen, es fehlt bei Firmen und Organisationen, aber auch bei öffentlichen Stellen das Bewusstsein für die doch so verbreitete Krankheit. Was hindert daran Feedback, das sich schnell und einfach realisieren lässt, umzusetzen? So wird Farbenblinden und Farbsehschwachen gezeigt, dass sie nicht egal sind.
Profiteure sind alle
Oft zeigt sich, dass bei Berücksichtigung der Belange von Farbsehschwachen bzw. von Inklusion im Allgemeinen auch die Öffentlichkeit profitiert. Klare Kontraste und Farbunterschiede kommen Allen zu Gute. Nicht selten sagen Normalsichtige, dass auch sie Farben schwer zu unterscheiden fanden oder dass sogar der Farbenblinden-Modus in Spielen für sie die bessere Wahl ist.
Dazu kommt, dass viele Anpassungen simpel sind und nicht viel Aufwand benötigen. Mehr Rücksicht auf die Belange von Farbsehschwachen und Farbenblinden hat verschiedene Vorteile: Zum Einen werden sie gestärkt und sprechen eher über ihren Gendefekt. So lernt man automatisch mehr darüber.
Weiter wird so auch das Bewusstsein bei Betroffenen gestärkt und es findet ein Austausch untereinander statt. Es kann über Probleme diskutiert und so mögliche Lösungen und Erfahrungen für einen besseren Umgang weitergegeben werden. Nicht selten ist es, dass Farbsehschwache sich Jahre kennen, aber von der Gemeinsamkeit gar nichts wissen.
Zum Anderen profitiert von den meisten Anpassungen die gesamte Gesellschaft. Besonders, da sie schnell und einfach zu realisieren sind.