Woche für Woche verfolgen farbsehschwache Fußballfans die Spiele der Bundesliga. Der Interessenverband der Farbsehschwachen und Farbenblinden hat die Spielzeit 2021/22 analysiert und eine Auflistung mit problematischen Spielkleidungskombinationen erstellt.
Die erfreuliche Nachricht: Mit gut 58 Prozent (1. Bundesliga) und knapp 64 Prozent (2. Bundesliga) sollte der überwiegende Teil der Partien für farbsehschwache und farbenblinde Fans und Zuschauende problemlos gewesen sein. Allerdings bedeutet das auch, dass im Schnitt mindestens jede dritte Partie der 1. und 2. Bundesliga (BL) für Farbsehschwache zu Problemen führen kann.
Bewertungsmethodik für die Spielkleidungskombinationen
Für die Analyse wurden drei Kategorien durch uns festgelegt:
Hohe Problematik
Fehlender Kontrast, wie Rot gegen Grün, Rot gegen Dunkel, Grün gegen dunkel, hell gegen hell, bei den Trikots bzw. der gesamten Spielkleidung.Mittlere Problematik
Problematisch: Rückseiten der Trikots oder fehlender Kontrast zum Rasen.Niedrige Problematik
Fehlender Kontrast zwischen einzelnen Teilen der Spielkleidung, wie Hosen oder Stutzen.
Auf Grundlage dieser Definition wurden die Spiele der 1. und 2. Bundesliga im Nachgang der Saison durch uns analysiert und erfasst.
Gut 34% (1. BL) und 30% (2. BL) der Spiele wiesen demnach eine hohe Problematik aus — im Schnitt jede dritte Begegnung. 1% (1. BL) bzw. 2,3% (2. BL) waren der mittleren Problematik zuzuordnen und 6,5% (1. BL) bzw. knapp 4% (2. BL) der Spiele haben immer noch ein als gering einzustufendes Konfliktpotential geboten.
Fehlender Kontrast gegenüber roten Trikots Hauptproblem
Die Rot-Grün-Schwäche ist sicherlich die Farbfehlsichtigkeit, an die man zuerst denkt: Es liegt nahe, dass in diesem Fall das Hauptproblem in der Trikot-Kombination Rot gegen Grün gesehen wird. Von 105 Partien in der Kategorie „Hohe Problematik" waren allerdings nur 15 mit der Kombination roter und grüner Trikots betroffen. Das überwiegende Problem war vielmehr der fehlende Kontrast gegenüber roten Trikots: Dies waren in der 1. Bundesliga unter dem Strich 56 betroffene Partien.
In Liga 2 waren 54 Partien beim Kontrast vom fehlenden Kontrast gegenüber roten Trikots betroffen (92 Gesamt; 8 Rot gegen Grün).
Eine Simulation bildet nicht die komplette Realität von Betroffenen ab.
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7. Spieltag Saison 2021/22: Fortuna Düsseldorf gegen Jahn Regensburg. Rot gegen Schwarz ist besonders bei Rotblindheit ein Problem.
Besonders bei der Rotblindheit/Rotschwäche (Protanopie/Protanomalie) zeigt sich die Problematik, da für Betroffene Rot und Schwarz nahezu identisch und nicht oder nur sehr schwer zu unterscheiden sind. Auch für andere Formen von Farbfehlsichtigkeiten sind diese Farbkombinationen nicht ideal.
Die übrigen Probleme traten beim fehlenden Kontrast zwischen Teams auf, die jeweils in einem hellen Trikot gegeneinander spielten. Hier sind beispielsweise Hellgrün gegen Gelb oder Weiß gegen Pastelltöne mit Schwierigkeiten verbunden.
Eine Simulation bildet nicht die komplette Realität von Betroffenen ab.
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30. Spieltag Saison 2021/22: Borussia Dortmund gegen VFL Wolfsburg. Gelb gegen Hellgrün ist für Farbsehschwache eine problematische Spielkombination.
HSV und Mainz am häufigsten betroffen
Am häufigsten waren Mainz 05 (25 Partien) in der 1. Bundesliga und der Hamburger SV (20 Partien) in der 2. Bundesliga an Partien beteiligt, wo es für Farbsehschwache das größte Konfliktpotential gab. Bayer 04 Leverkusen (5 Partien, 1. BL) und der SV Sandhausen (4 Partien, 2. BL) waren hingegen die Teams, bei denen farbsehschwache Zuschauende über die abgelaufene Spielzeit die wenigsten Probleme gehabt haben dürfen.
Team 1. Bundesliga | Anzahl betroffene Partien | Team 2. Bundesliga | Anzahl betroffene Partien | |
---|---|---|---|---|
Bayer Leverkusen | 5 | SV Sandhausen | 4 | |
FC Augsburg | 8 | Dynamo Dresden | 7 | |
Borussia Mönchengladbach | 8 | 1. FC Nürnberg | 7 | |
FC Köln | 8 | Jahn Regensburg | 7 | |
Borussia Dortmund | 9 | FC St. Pauli | 8 | |
Greuther Fürth | 10 | Karlsruher SC | 10 | |
VFB Stuttgart | 11 | Holstein Kiel | 10 | |
Bayern München | 12 | FC Ingolstadt | 11 | |
Hertha BSC | 12 | Erzgebirge Aue | 13 | |
VFL Bochum | 13 | Schalke 04 | 13 | |
Eintracht Frankfurt | 15 | Hannover 96 | 14 | |
VFL Wolfsburg | 17 | 1. FC Heidenheim | 16 | |
TSG Hoffenheim | 18 | SC Paderborn | 16 | |
RB Leipzig | 19 | Werder Bremen | 16 | |
SC Freiburg | 20 | Fortuna Düsseldorf | 17 | |
Arminia Bielefeld | 20 | Hansa Rostock | 17 | |
Union Berlin | 20 | Darmstadt 98 | 18 | |
Mainz 05 | 25 | Hamburger SV | 20 |
Kontrast nicht nur bei Farbsehschwäche hilfreich
Von einer inklusiven Wahl der Trikotkonstellation profitieren nicht nur Menschen mit Farbsehschwäche. Von Normalsichtigen sind uns ebenfalls Berichte von Schwierigkeiten bekannt, die Teams auf dem Feld auseinander zu halten. Wechselnde Licht- und Witterungsverhältnisse, Qualität und Größe des Endgeräts sind zum Beispiel Faktoren, die beeinflussen, wie zwei gegnerische Teams unterschieden werden können.
Mit der Berücksichtigung von Farbkontrasten (Hell-Dunkel) kann sichergestellt werden, dass unter den meisten Bedingungen alle Zuschauenden und Aktiven dem Spielgeschehen problemlos folgen können.
Das Spiel wird also mit einfachen Möglichkeiten zugänglicher gemacht, als das Gruppen ausgeschlossen werden.
DFL-Ligastatut schreibt Kontrast vor
Interessanterweise schreibt die Deutsche Fußball Liga (DFL) in der Lizenzierungsordnung einen Kontrast zwischen zwei gegnerischen Mannschaft vor. So heißt es im Anhang IV "Spielkleidungsrichtlinie" zur Lizenzierungsordnung in §6 Inkompatibilität der Farben des Ligastatuts:
Die Haupt- und Ersatzspielkleidungen für Spieler müssen [...] einen deutlichen Kontrast (hell und dunkel) zueinander bilden, so dass sie in einem Spiel von zwei gegnerischen Mannschaften getragen werden könnten.
Es ist verwunderlich, weshalb Clubs, Liga und Schiedsrichter nicht expliziter auf den Kontrast achten. Dies würde weniger Probleme für Fans und betroffene Profis selbst bedeuten.
Da jeder 12. Mann von einer Farbsehschwäche betroffen ist, ist die Wahrscheinlichkeit in jedem Männerteam groß, dass zumindest ein Spieler selbst betroffen ist. Theoretisch müsste nach der ersten Auswechslung bei jeder Mannschaft ein farbsehschwacher Spieler auf dem Platz gestanden haben.
Probleme und Herausforderungen vielfältig
Angesichts der Tatsache, dass jedes Profiteam in der Regel drei oder sogar mehr unterschiedliche Spielkleidungen (Designs) vorhält, dürften die Probleme leicht zu lösen sein. Vereine und Teams sollten sich im Sinne der Inklusion und Zugänglichkeit vom starren Denken im kompletten Heim-, Auswärts- oder Ausweichsatz verabschieden und lieber in Erwägung ziehen, möglicherweise das Heim-Trikot auch auswärts zu tragen oder nach englischem Vorbild aus den verschiedenen Sätzen zu kombinieren.
Unabhängig von der Spielkleidung stehen farbenblinde Fans beim Stadionbesuch vor weitere Herausforderungen, wie der Beschilderung oder Probleme beim Ticketkauf.
Der Interessenverband der Farbsehschwachen und Farbenblinden steht hier für einen Austausch gerne zur Verfügung.